Wozu Lektorat?

Autoren und Lektoren

Autoren sind die Schreibenden, und schreiben bedeutet – nach landläufiger Auffassung –, seinen Gedanken Ausdruck zu verleihen.
   Aber geht es eigentlich in erster Linie um Ausdruck? Kommt es nicht vielmehr auf Eindruck an?
   Wir sprechen hier ja nicht von Gedichten, die ein lyrisches Ich offenbaren sollen, oder von Liebesbriefen, die zarte Gefühle bezeugen wollen. Wir sprechen von akademischen Texten, deren zentrales Anliegen ein ganz anderes ist: referieren, argumentieren, überzeugen. Ob ein solcher Text sein Ziel erreicht, hängt nur schwach davon ab, ob ein Autor möglichst viel von dem ausgedrückt hat, was er weiß. Aber es hängt stark davon ab, welchen Eindruck der Text beim Leser hinterlässt.
   Lektoren sind – der Etymologie des Begriffs nach – vor allem Leser. Wenn man so will, sind sie ,exemplarische Leser’. Ihre Kunst besteht darin, einem Text aus der Perspektive der intendierten Adressaten sorgfältig auf den Zahn zu fühlen. Sie sollen verhindern, dass ein Text einen schlechten Eindruck macht, zum Beispiel weil er fehlerhaft oder schwer verständlich ist oder weil Quellen fehlen. Sie sollen gewährleisten, dass ein Text einen positiven Eindruck erzeugt, zum Beispiel indem er wohlstrukturiert und elegant formuliert ist. Vor allem aber sollen sie dazu beitragen, dass ein Text eindrücklich ist: indem er Interesse weckt, den Leser weder über- noch unterfordert, eine ,zwingende’ Logik entfaltet, statt nur etwas zu behaupten. Und so weiter.

Die Doppelrolle von Lektoren

Gute Lektoren müssen daher imstande sein, eine gewisse Doppelrolle zu spielen. Einerseits müssen sie Verbündete der Autoren sein, denn es geht um den Dienst an deren Texten und den Respekt vor deren geistiger Leistung. Darum müssen sie genau und empathisch lesen können; erschließen, was gemeint ist – auch wenn das Manuskript dem Verständnis manchmal Widerstände entgegensetzt –; kitten, wenn die Argumentation Sprünge und Brüche enthält; den roten Faden wiederfinden, wenn er verloren zu gehen scheint. Das setzt wissenschaftliche Kompetenz voraus und die Fähigkeit, den Autoren fachlich ,das Wasser zu reichen’.
   Andererseits müssen sie zugleich Antagonisten der Autoren sein. Lektoren müssen darauf bestehen können, dass es nicht darum geht, Gedanken einfach in Textform abzusondern, sondern darum, mit Gedanken ,über die Rampe zu kommen’. Insofern sind sie eher Verbündete eines imaginären typischen Lesers. Sie fragen beispielsweise danach, ob man bei einem plausibel angenommenen Adressatenkreis bestimmte Informationen als bekannt voraussetzen darf oder ob man sie darlegen muss. Das setzt Immunität gegen jene Art von ,Betriebsblindheit’ voraus, zu der man beim Verfassen von Texten leicht neigt, wenn man schon lange in den Stoff eingetaucht ist.
   Und apropos „angenommener Adressatenkreis”: Genau genommen muss man – heute mehr denn je – im Plural sprechen. Ein wissenschaftlicher Text erfüllt im Idealfall die Erwartungen einer Kerngruppe von fachlich motivierten Lesern („Peers”), aber oft soll er zugleich die Referees eines namhaften Journals oder/und das (vom Marketing gebiaste) Lektorat eines reputierten Verlags überzeugen. Je nach Textsorte tritt vielleicht noch der Anspruch hinzu, für gebildete Laien verständlich zu sein oder den Ansprüchen von Gremienmitgliedern eines Geldgebers zu genügen. Lektoratsarbeit erfordert deshalb zuweilen, von verschiedenen Zielpublika auszugehen und einen vertretbaren Kompromiss auszuloten – ohne dass es den Text dadurch förmlich zerreißt.

Über die Autonomie des Lesers

Insofern versucht ein gelingendes Lektorat, einen Prozess idealtypisch vorwegzunehmen, der sich später bei einem veröffentlichten Text ohnehin vollzieht: den Kommunikationsprozess zwischen Autor und Leser. Dabei ist ein schlichtes Sender-Empfänger-Modell der Kommunikation völlig unzureichend – das ist der springende Punkt. Die Vorstellung, dass ein Autor eine Nachricht codiert und aussendet und ein Leser sie decodiert und aufsaugt, ist – wie man seit langem weiß – entschieden zu unterkomplex.
   Leser bringen Erwartungen, Eigensinn und mehr oder minder große Vorkenntnisse mit. Selbst wenn sie vom Untersuchungsgegenstand noch wenig wissen und auch wenn es ihnen nicht immer bewusst ist, gehen in die Lektüre Meinungen, Einstellungen und (Vor-)Urteile ein; sie können es erschweren, mit Positionen ,durchzudringen’, namentlich wenn diese Standpunkte innovativ, unkonventionell oder überraschend sind. Leser wollen überdies durch einen Argumentationsgang geleitet, nicht jedoch bevormundet werden; sie wollen ,bei der Stange gehalten’ werden und Vergnügen an der Lektüre empfinden. Wenn sie sich langweilen oder unbefriedigt sind, überlesen oder überschlagen sie Passagen, schlimmstenfalls brechen die die Lektüre ganz ab.
   Gegen diese Leserautonomie ist aus Autorensicht kein Kraut gewachsen. Denn auch bei einem komplexeren Kommunikationsmodell bleibt ein Faktum unhintergehbar: Es handelt sich um einen einseitig gerichteten Kommunikationskanal. Kein Leser kann Nachfragen stellen respektive um mehr/weniger Ausführlichkeit bitten; kein Autor kann post festum auf Leserunmut reagieren, noch etwas richtigstellen oder Erläuterungen nachschieben. Des Autors einzige Chance liegt darin, die Autonomie des Lesers zu antizipieren und seinen Text so zu verfassen, dass Rezeptionsprobleme ausgeräumt und Akzeptanzwiderstände minimiert werden.

Brauchen Sie ein Lektorat?

Oft ist es bei der Produktion eines Texts nicht möglich, aus Gründen der Arbeitsökonomie vielfach auch nicht zweckmäßig, all die rezeptionsbezogenen Faktoren im Auge zu behalten, von denen hierüber die Rede war. Deshalb kann ein Lektorat ein fruchtbarer Zwischenschritt nach der ,Rohproduktion’ und vor der Publikation eines Texts sein. Es kann Fragen, die Leser später nicht mehr äußern können, vorwegnehmen, auf Verständnis- und Ermüdungsprobleme aufmerksam machen, die Überzeugungskraft einer Argumentation steigern und vieles mehr.
   Diesem Verständnis liegt – wie deutlich geworden sein wird – die Überzeugung zugrunde, dass die Leistung eines akademischen Texts letzten Endes nicht in seiner Hervorbringung liegt, sondern in seiner erfolgreichen Perzeption. Zwar gratifiziert das Wissenschaftssystem mehr und mehr den zähl- und messbaren ,Output’ und kaum den qualitativen ,Outcome’. Aber für den wissenschaftlichen Fortschritt eigentlich entscheidend ist die Frage, ob Forschungsergebnisse bei den Adressaten wohlwollend und angemessen aufgenommen, diskutiert und weiterentwickelt werden.
   Sofern Sie diese Überzeugung teilen, könnte ein so verstandenes Lektorat auch für Sie nützlich sein. Ob Sie es tatsächlich benötigen, ist eine Frage Ihrer Selbsteinschätzung und ggf. des Kollegenechos, das Sie im Vorfeld erhalten (haben). Einen ersten – freilich eher spielerischen als analytischen – Eindruck liefert Ihnen vielleicht der ➔ »Selbsttest« auf der liftext-Seite. Etwas fundiertere Entscheidungsgrundlagen bietet Ihnen, zu sehr überschaubaren Kosten, ein liftext-Probelektorat. ➔ Bitte klicken Sie hier, um Genaueres darüber zu erfahren.
   Apropos Kosten: Ein Lektorat auf dem hier angesprochenen fachlichen Niveau und mit der Kompetenz und Sorgfalt, die liftext Ihnen zusichert, kostet eine Stange Geld – viel mehr jedenfalls, als manche „Korrekturdienste” im Internet Ihnen abverlangen, um dann im Zweifel ein paar Tippfehler zu beheben, ohne auch nur ansatzweise den Sinn Ihres Texts zu begreifen und von analytischem Verstand Gebrauch zu machen. Hochqualifizierte Lektoratsarbeit verlangt angemessene Vergütung – daran ist nicht zu deuteln. Ob man die Kosten als hoch empfindet und die Investition scheut oder nicht, ist oft eine Frage des Maßstabs: Gemessen an den Personal- und Sachmitteln, die etwa für ein mittleres Forschungsprojekt die Regel sind, liegen die Kosten für ein Lektorat des Projektberichts fast im vernachlässigbaren Bereich – aber für den ,Impact’ des Projekts kann das Lektorat unter Umständen ausschlaggebende Wirkung entfalten.